Chaos von Varese nur die sichtbarste Ausprägung

Eine schwere Woche für die italienischen Herbstklassiker

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Bauke Mollema (Trek - Segafredo, rechts) und weitere fehlgeleitete Fahrer erreichen das Ziel des Tre Valli Varesine sieben Minuten nach Sieger Primoz Roglic (Jumbo - Visma). | Foto: Cor Vos

09.10.2019  |  (rsn) - Die italienischen Herbstklassiker haben einen schweren Stand. Obwohl die innerhalb von nur acht Tagen abgehaltenen, teilweise sehr schweren sechs Eintagesrennen vom Giro dell'Emilia bis zu Il Lombardia mit all ihrer Tradition - fünf davon sind jeweils über 100 Jahre alt - das Potential hätten, einen viel beachteten Schlusspunkt unter die Saison zu setzen, werden sie stiefmütterlich behandelt. Leider, diesen Eindruck hat Tre Valli Varesine am Dienstag leider gemacht, teilweise sogar von den eigenen Organisatoren.

Dass 15 Kilometer vor dem Ziel die Gruppe der Favoriten fehlgeleitet und so aus dem Kampf um den Sieg genommen wurde, den schließlich Primoz Roglic (Jumbo - Visma) abstaubte, machte die 99. Auflage des Rennens zur Farce.

"Ich will niemand ans Kreuz nageln, aber solche Fehler sind nicht akzeptabel", sagte Bahrain - Meridas Sportlicher Leiter Alberto Volpi nach dem Rennen. Er hatte mit Vincenzo Nibali und Dylan Teuns gleich zwei heiße Eisen für den Sieg in der fehlgeleiteten Gruppe. 

Statt zu gewinnen fuhr Teuns schließlich 7:15 Minuten nach Sieger Roglic als 57. über den Zielstrich in Varese, in einer Gruppe mit weiteren Mitgliedern der aus dem Rennen genommenen Spitzengruppe - unter anderem David Gaudu (Groupama - FDJ) und auch Bauke Mollema (Trek - Segafredo), die beim Überqueren des Zielstrichs hämisch Beifall klatschten.

Nibali stieg einen Kilometer vor der Linie am parkenden Mannschaftsbus vom Rad und gab sich sarkastisch: "Lass es uns so sagen: Wir sind noch eine szenische Extrarunde runter zum See gefahren", sagte der Italiener bevor er zum Duschen in den Bus stieg.

Richtungspfeile oder Ordner? Fehlanzeige

Die Favoritengruppe, die sich rund 35 Kilometer vor dem Ziel gebildet hatte und der auch der Italienische Meister Davide Formolo (Bora - hansgrohe) sowie Alejandro Valverde (Movistar) oder Michael Woods (EF Education First) angehörten, war etwa 15 Kilometer vor dem Ziel in einem Kreisverkehr hinter dem TV-Motorrad her geradeaus in Richtung Lago di Varese gefahren, anstatt rechts in Richtung Calcinate del Pesce abzubiegen. 25 Sekunden lang fuhr die Gruppe bei voller Geschwindigkeit weiter, bis der See und das Strandbad beinahe schon in Sichtweite waren.

"Ich kenne diese Straßen etwas und als wir geradeaus gefahren waren, dachte ich mir schon, dass das falsch war. Aber das TV-Motorrad schien überzeugt zu sein und fuhr weiter", erzählte Nibali nach dem Duschen. Richtungspfeile oder gar einen Ordner, der die Fahrer zum Rechtsabbiegen hätte bewegen können, gab es an jenem Kreisverkehr nicht. "Tre Valli Varesine war immer ein schönes Rennen, aber sie haben angefangen mit der Strecke zu spielen", fügte Nibali an, und traf damit auch den Kern der Kritik seiner Kollegen.

Roglic: "Sonst hätte ich nicht gewinnen können"

"Wenn man die Strecke verkompliziert mit so einem Rundkurs, dann wird es zum Kriterium. Und ich finde nicht, dass ein Profirennen ein Kriterium sein sollte", sagte etwa Daniel Martin (UAE Team Emirates), und Bora - hansgrohes Sportlicher Leiter Jens Zemke erklärte: "Wenn ein Rennen auf unterschiedlichen Runden über dieselben Streckenabschnitte führt, erhöht das die Gefahr für solche Fehler."

So gewann Roglic in Varese ein Rennen, auf das er nicht besonders stolz sein dürfte. "Ich hatte Glück, dass die Spitzengruppe falsch gefahren ist. Sonst hätte ich nicht gewinnen können", meinte auch der Slowene selbst später, während Renzo Oldani als Vorsitzender des Veranstalters versuchte, die Wogen zu glätten und das Problem auszublenden: "Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund, aber wir haben einen verdienten Sieger. Das Chaos kam durch die Aufregung im Finale zustande. Ich denke wir sollten niemand die Schuld geben."

Schwarze Woche für italienische Rennen

Leider wurde tagsdrauf in Turin aber um ein Haar wieder ein TV-Motorrad zum Problem: Als David Gaudu (Groupama - FDJ) an der letzten Spitzkehre im Anstieg zur Superga am Ende von Mailand - Turin attackierte, wäre er beinahe auf das Motorrad aufgefahren, das ihn dabei filmte. Er musste kurz etwas rausnehmen und sein Angriff verpuffte.

Fehlende Absperrungen beziehungsweise Streckenposten und -sicherungen sorgten in Italien außerdem am Wochenende bereits für schwere Unfälle. Der Italiener Giovanni Iannelli stürzte beim Circuito Molinese im Finale mit seinem Kopf gegen einen Betonblock und erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus, während der 19-jährige Sunweb-Nachwuchsfahrer Edo Maas beim Piccolo Lombardia am Sonntag in der Abfahrt von der Madonna del Ghisallo mit einem rennfremden Auto kollidierte und sich schwer verletzte.

Vor dem Hintergrund dieser schlimmen Unfälle erscheint das Chaos von Varese dann doch wieder weniger schlimm. Passieren darf es trotzdem nicht wieder, wenn sich der Profi-Radsport als professionell darstellen möchte.

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