Solo zum Tour-Etappensieg in Villard-de-Lans

Kämna spielt den Taktik-Poker in Perfektion

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Kämna spielt den Taktik-Poker in Perfektion"
Lennard Kämna (Bora - hansgrohe) strahlt nach seinem Sieg auf der 16. Tour-Etappe. | Foto: Cor Vos

15.09.2020  |  (rsn) - Am Montag hatte er es angekündigt: "Ich habe nochmal Lust auf dieses Pokerspiel", sagte Lennard Kämna (Bora - hansgrohe) am zweiten Ruhetag der Tour de France in Grenoble. Dem 24-Jährigen hatte die Etappe zum Puy Mary im Zentralmassiv große Lust auf mehr Ausreißer-Taktikspielchen gemacht. Und weil er am Dienstag erneut gute Beine hatte, konnte Kämna seiner Spieleslust freien Lauf lassen.

Mit einer überragenden Leistung hat der erst im Winter neu ins Team gekommene Zeitfahrweltmeister der Junioren von 2014 nun in Villard-de-Lans nicht nur seinen bisher persönlichen größten Triumph gefeiert, sondern auch gleichzeitig seinem Arbeitgeber die Tour gerettet.

"Das ist ein großartiger Moment und eine große, große, große Erleichterung, auch für die Mannschaft und auch für mich. Ich kann es kaum glauben. Der Schritt, den ich dieses Jahr gemacht habe, ist riesig - und ich bin so glücklich, dass ich heute gewonnen habe", freute sich der aus Fischerhude bei Bremen stammende Kämna im ersten Sieger-Interview nachdem er im Zielbereich fast noch gefasst und norddeutsch cool gewirkt hatte.

Die Top-Form, die nach den drei Stürzen an den zwei Auftakttagen in Nizza etwas gelitten hatte, war das Fundament für diesen Erfolg. Doch erst sein taktisches Bravourstück machte es letztlich möglich, dass er nach 164 Kilometern die Siegerfaust gen Himmel strecken konnte.

"Es war ein harter Kampf von Beginn an, und ich wusste, dass ich alleine zum Ziel kommen musste. Als Carapaz dann etwas Tempo rausnahm, wusste ich, dass jetzt der Moment ist. Ich bin nur noch Vollgas zum Ziel gefahren", fasste Kämna den entscheidenden Moment am Montée de St-Nizier-du-Moucherotte 21 Kilometer vor dem Ziel zusammen.

Kämna schon vom Start weg beeindruckend

Vom Start weg war Kämna vorne mit dabei, sprang in die erste, gut 30-köpfige Spitzengruppe, die dann aber wieder zurückgeholt wurde. Trotzdem gelang es ihm anschließend auch noch in die schließlich erfolgreiche Gruppe um Giro-Sieger Richard Carapaz (Ineos), Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step), Simon Geschke, Matteo Trentin (beide CCC) und Co.

Und dort spielte Kämna den Taktik-Poker dann bis zur Perfektion. Nachdem Teamkollege Daniel Oss sämtliche für Bora - hansgrohe anfallende Führungsarbeit in der Spitzengruppe verrichtet hatte, kam Kämna noch relativ frisch in die entscheidende, elf Kilometer lange Steigung zum Montée de St.-Nizier-du-Moucherotte, ein Anstieg der 1. Kategorie.

Dort war er hellwach. Kämna platzierte sich weit vorne immer unter den ersten fünf Fahrern in der Gruppe, ließ aber die zahlenmäßig überlegenen Teams Ineos und Sunweb zunächst arbeiten. Als dann etwas mehr als 27 Kilometer vor dem Ziel Carapaz seinen ersten Angriff ritt, war Kämna sofort am Hinterrad und folgte weiter. Er spürte, dass die Konkurrenz teilweise am Limit war und übernahm nun selbst Verantwortung, sprengte rund 500 Meter später die Spitzengruppe durch hohes Tempo und zog nur noch Carapaz, Alaphilippe sowie den Schweizer Meister Sebastien Reichenbach (Groupama - FDJ) mit.

Einer nach dem Anderen zeigt seine Schwäche

Als kurz darauf Alaphilippe die Ablösung verweigerte, deutete sich bereits an, dass Kämna der Stärkste war. Doch es dauerte knapp vier Kilometer der guten Kooperation des Quartetts, bis ein weiterer Angriff von Carapaz Kämna erneut in die Karten spielte: Alaphilippe sprang mit explodierte aber kurz darauf, während Kämna kurz abwartete und das Loch erst zu fuhr, als Reichenbach offenbarte, ebenfalls am Limit zu sein. Nun wusste Kämna, dass bei der nächsten Tempoverschärung nur Carapaz als Gegner übrigbleiben würde, und als der Ecuadorianer es noch einmal versuchte, war es dann auch um den Schweizer geschehen.

Nun musste Kämna noch Carapaz loswerden, der mit seiner Spritzigkeit im Sprint um den Etappensieg favorisiert gewesen wäre - und noch einmal so knapp zu verlieren wie gegen Daniel Felipe Martinez (EF Pro Cycling) am Puy Mary, das musste Kämna verhindern. Also zog er 400 Meter vor dem Bergpreis, nachdem Carapaz schon drei Angriffe geritten und nun kurz das Tempo gedrosselt hatte, sein Ass aus dem Ärmel, attackierte selbst und zog Vollgas über die Kuppe durch, um den Vorsprung zum Giro-Sieger Meter für Meter zu vergrößern.

Angriff musste vor der Bergwertung kommen - und kam

Die Lücke ging auf und Kämna hatte die perfekte Ausgangssituation für das Finale kreiert: Die ersten Verfolger waren vor dem knapp 20 Kilometer langen, nur leicht abschüssigen Ritt über die Hochebene alle allein unterwegs und es ging im Zeitfahrmodus Mann gegen Mann.

In diesem Moment hatte Kämna das Pokerspiel gewonnen. Der Zeitfahr-Weltmeister der Junioren von 2014, der 2015 in Richmond zwei Wochen nach seinem 19. Geburtstag bereits U23-Bronze im Zeitfahren holte, spielte seine Fähigkeiten allein im Wind perfekt aus und baute seinen Vorsprung bis zur Schlussrampe bis auf über eine Minute aus, so dass er den hoch verdienten Sieg dann auch voll genießen konnte.

Mehr Informationen zu diesem Thema

16.06.2021Madiot: “Wir hätten Pinot früher aus der Tour nehmen sollen“

(rsn) - Sein bisher letztes Rennen bestritt Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) vor mittlerweile zwei Monaten, als er die Tour of the Alps unter ferner liefen auf Rang 60 beendete. Danach entschied der Fra

23.12.2020Bernal wieder schmerzfrei auf dem Rad

(rsn) - Egan Bernals Genesung macht offensichtlich deutliche Fortschritte. Wie der Tour-de-France-Sieger von 2019 gegenüber dem Internetportal primertiempo.co sagte, könne er wieder schmerzfrei trai

11.12.2020Dumoulin zuversichtlich: “Mir fehlt nur noch ein Prozent“

(rsn) - 2020 war für Tom Dumoulin ein Jahr mit vielen Tiefen und nur wenigen Hochs. Nach dem mit großen Hoffnungen verbundenen Wechsel von Sunweb zu Jumbo - Visma warf zunächst ein bakterieller Dar

15.11.2020Pogacar lobt Roglic als slowenischen Vorreiter

(rsn) - Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) hätte seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo - Visma) den Tour-de-France-Sieg gegönnt. Das sagte der 22-jährige Slowene im Gespräch mit der spanischen Sp

27.10.2020Bernals Genesung dauert länger als gedacht

(rsn) - Egan Bernals Rückenprobleme, die ihn zum Ausstieg bei der Tour de France und zum vorzeitigen Saisonende zwangen, sind offensichtlich ernsthafter als bisher angenommen. Wie der Kolumbianer geg

10.10.2020Bernal: “Ich hatte eine schwierige Zeit“

(rsn) - Der bei der Tour de France vorzeitig ausgestiegene Egan Bernal (Ineos Grenadiers) wird in diesem Jahr keine Rennen mehr bestreiten. Das kündigte der Kolumbianer auf Instagram an und bestätig

03.10.2020War der Toursieg für Roglic im Zeitfahren unmöglich?

(rsn) - Radsportjournalist Thijs Zonneveld von der niederländischen Zeitung AD hat nach eigenen Angaben Einblick in die Leistungswerte des Tour-Zeitfahrens von Primoz Roglic (Jumbo – Visma) erhalte

24.09.2020Pogacar: “Die Saison ist noch lange nicht vorbei“

(rsn) - Nach seinem Tour-de-France-Triumph hat Tadej Pogacar (UEA - Team Emirates) schon die nächsten großen Ziel im Blick. "Ich muss konzentriert und fit bleiben für die Weltmeisterschaft und die

23.09.2020Viviani: Beim Giro zurück in die Erfolgsspur?

(rsn) - Im letzten Jahr gewann Elia Viviani im Trikot von Deceuninck - Quick-Step  bei der Tour de France eine Etappe und fuhr auf drei weiteren Teilstücken aufs Podium. Die 107. Austragung lief fÃ

22.09.2020UAE Emirates streicht das mit Abstand meiste Preisgeld ein

(rsn) - Kein Wunder: Durch den Gesamtsieg von Tadej Pogacar, der auch das Weiße Trikot als bester Jungprofi sowie die Bergwertung und drei Etappen gewann, sowie den Etappensieg von Alexander Kristoff

21.09.2020Phänomen Pogacar - zu schnell, um wahr zu sein?

(rsn) - Tadej Pogacar hat mit seinem Toursieg nicht nur Rekorde gebrochen, sondern damit auch Fragen aufgeworfen. Ist der Slowene einfach ein Jahrhunderttalent, für den die üblichen Maßstäbe nicht

21.09.2020Die Tour-Bubbles werden aufgelöst

(rsn) - Die Tour de France ist beendet. Die Bubbles werden aufgelöst. Neue werden errichtet, für die WM, die BinckBank Tour, den Giro d´Italia und die großen Klassiker. Primoz Roglic kann jetzt Tr

Weitere Radsportnachrichten

01.05.2025Fortunato feiert Ausreißercoup, Baudin fährt ins Gelbe Trikot

(rsn) – Lorenzo Fortunato (XDS – Astana) hat die 2. Etappe der 78. Tour de Romandie gewonnen. Der Italiener setzte sich über 157 Kilometer rund um La Grande Béroche aus einer fünfköpfigen Aus

01.05.2025Eschborn-Frankfurt U23: Haugsted schlägt Landsmann Landsbo

(rsn) – Mit einem dänischen Doppelsieg endete die 60. Austragung der U23-Version von Eschborn-Frankfurt (1.2). Nach 129,9 Kilometern von Eschborn nach Frankfurt setzte sich Conrad Haugsted (ColoQui

01.05.2025Matthews gewinnt das 62. Eschborn-Frankfurt vor Cort

(rsn) – Michael Matthews (Jayco – AlUla) ist beim 62. Eschborn-Frankfurt (1.UWT) seiner Favoritenrolle gerecht geworden und hat sich erstmals in seiner Karriere den hessischen Frühjahrsklassiker

01.05.2025Herzog erhält mit der Rückennummer 1 seine Freiheiten

(rsn) - Emil Herzog (Red Bull – Bora – hansgrohe) ist erst 20 Jahre alt, aber beim deutschen Frühjahrsklassiker Eschborn-Frankfurt trägt der junge Allgäuer die Nr. 1. “Das ist auf jeden Fal

01.05.2025Rutsch und Zimmermann teilen sich die Leaderrolle

(rsn) - Georg Zimmermann und Jonas Rutsch kommen zusammengerechnet auf bisher acht Starts bei Eschborn-Frankfurt. Zur 62. Ausgabe des 1.Mai-Klassikers treten die beiden Deutschen erstmals gemeinsam im

01.05.2025Red Bull – Bora – hansgrohe startet globales Scoutingprogramm

(rsn) - Im Gegensatz zu anderen WorldTour-Teams setzt Red Bull – Bora – hansgrohe schon seit einigen Jahren konsequent auf frühzeitige Nachwuchsförderung. Mit dem U19-Team Auto Eder wurde 2021 e

01.05.2025Nach Fahrerprotesten: 5. Etappe der Türkei-Rundfahrt abgesagt

(rsn) – Schon die gestrige Königsetappe der Türkei-Rundfahrt fand im Dauerregen statt. Nun haben sich die Wetterbedingungen offensichtlich nochmals verschlechtert. Nachdem die ersten 70 Kilometer

01.05.2025Die Aufgebote für die 11. Vuelta Espana Femenina

(rsn) – Im Gegensatz zu den Männern, für die die Spanien-Rundfahrt als letzte Grand Tour der Saison im Herbst ansteht, eröffnet die Vuelta Espana Femenina (2.WWT) die Phase der großen Frauen-Run

01.05.2025Vor der Alten Oper ein Sprintduell Matthews vs. Nys?

(rsn) – Sprint- gegen Klassikerspezialisten heißt es am 1. Mai wieder, wenn die 62. Auflage von Eschborn-Frankfurt (1.UWT) gestartet wird. Das hessische Traditionsrennen führt über die aus den be

01.05.2025Zwiehoff auf dem Podium: “Schön, dass es mal wieder geklappt hat“

(rsn) – Seit 2021 ist der frühere Mountainbiker Ben Zwiehoff als Profi im Trikot von Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs. Ein Sieg gelang dem Essener seitdem nicht, wohl aber mehrere beeindru

01.05.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

30.04.2025Sprinter oder Ausreißer: Wer gewinnt Eschborn-Frankfurt?

(rsn) - 126 Profis aus 18 Teams stehen am 1. Mai beim Frühjahrsklassiker Eschborn-Frankfurt (1.UWT) am Start, einem Rennen, das wie kaum ein zweites ein Kampf zwischen Sprintern und Ausreißern ist.

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Eschborn-Frankfurt (1.UWT, GER)
  • Radrennen Männer

  • Tour du Bénin (2.2, 000)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Eschborn - Frankfurt U23 (1.2u, GER)
  • GP Vorarlberg p/b Radhaus (1.2, AUT)
  • Tintrio - Omloop van het (1.2, BEL)
  • Cuarta Vuelta Bantrab (2.2, GUA)
  • Presidential Cycling Tour of (2.Pro, TUR)