Tour-Blog

Die Schattenseite der Tour

Von Andreas Schulz, Eurosport

Foto zu dem Text "Die Schattenseite der Tour"
| Foto: ROTH

11.07.2013  |  Die Pipi-Attacke auf Mark Cavendish als ekligen Ausrutscher abzutun, ist zu simpel. Sie wirft Licht auf ein Grundproblem, dem sich die Tour nicht entziehen kann. Klar, wir können jetzt alle ein paar Höhöhö-Wortspiele machen, uns darauf einigen dass Cavendish eine Teilschuld am Sturz von Tom Veelers trägt und dann zur Tagesordnung übergehen. Warum auch nicht: Ein Idiot unter zehntausenden an der Strecke, das ist doch zu vernachlässigen.

Stimmt – und stimmt doch nicht.
Denn der Zwischenfall könnte auch dazu dienen, sich eines vor Augen zu halten: Dass die Tour als großes rollendes Volksfest mit Millionen Besuchern, hunderten Akteuren und tausenden Fahrzeugen so friedlich über die Bühne geht, ist eigentlich ein Wunder.

Klar, immer wieder gibt es Zwischenfälle, aber die sind doch irgendwie auch lustig und gehören zur Tour-Folklore: Giuseppe Guerini, der von einem fotografierenden Fan in Alpe d’Huez zu Fall gebracht wird. Jan Ullrich, der über die Leitplanke stürzt und wenig später wieder aus dem Unterholz auftaucht. Alberto Contador, der sich einen als Arzt kostümierten Fan per Faustschlag vom Leib hält. Marcus Burghardt, dem ein Hund vors Rad läuft.

Nägel, Schüsse, Fausthiebe
Aber seien wir ehrlich – auch wenn wir’s gern verdrängen. Es geht nicht immer gut aus – oder es ist nur Glück, dass nicht mehr passiert. Dass die Nägel-Attacke im letzten Jahr in der Abfahrt keinen bösen Sturz zur Folge hatte, dass die Schüsse auf die Fahrer in den Vogesen 2009 nur Kratzer hinterließen, dass Johan Bruyneel 1996 den Abhang nach seinem Sturz wieder hinauf kletterte, dass Eddy Merckx trotz Leberhaken eines „Fans“ noch aufs Tour-Podium fuhr – alles letztlich nur Folklore und Berufsrisiko?

Sicher nicht – wir alle müssen uns darauf einstellen, dass jeder Tour-Tag auch zum echten Drama werden kann und sollten uns das ab und an auch vor Augen halten, anstatt schnell zur Tagesordnung überzugehen, weil ja wieder alles irgendwie halbwegs gutgegangen ist.

Denn bei der Masse an Zuschauern ist es rein statistisch nur eine Frage der Zeit, bis irgendein Idiot, befeuert von kruden Gedanken oder zu viel Alkohol, den Gegner seines Lieblingsfahrers vom Rad holt. Oder einfach nur die Tour entscheidet, weil er doch so gerne für acht Sekunden im TV-Bild zu sehen sein möchte, neben der Spitzengruppe herrennt und für einen Sturz sorgt.

Dazu kommt das Restrisiko, das der Sport selbst mit sich bringt. Ob Casartelli, Kivilev oder Weylandt – der Radsport fordert immer wieder auch Todesopfer, es geht nicht immer irgendwie gut aus – das dürfen wir nicht vergessen.

Dass da nicht viel mehr passiert...
Das gilt gerade mit Blick auf die Zuschauer, die wahrscheinlich gefährdeter sind als die Fahrer selbst. Ich sage es ungern, aber der nächste tödliche Unfall in der Tour-Karawane ist leider nur eine Frage der Zeit. Zum Glück ist das letzte Drama nun schon elf Jahre her – doch dass gerade Kinder bei einem Spektakel wie der Tour-Karawane immer wieder tragisch ums Leben kommen, ist traurigerweise Bestandteil der Tour-Geschichte und wird trotz aller Sicherheitsmaßnahmen nicht ganz zu verhindern sein.

Und wer auch nur ein Mal im Tour-Konvoi mit Polizei-Eskorte nach einer Bergankunft durch die Fan-Massen ins Tal gedonnert ist, wundert sich sowieso, dass es nicht viel öfter zu Dramen kommt.

Das ist, so ungern man das hören mag, nicht sehr viel anders als beim motorisierten Sport. Auch dort sind die Unglücke seltener geworden – aber sie gehören dazu. Der Zwischenfall beim Formel-1-Rennen in Deutschland, als ein Kameramann von einem Reifen böse erwischt wurde, ist nur das aktuellste Beispiel.

Damit will ich uns nicht die Freude an der Tour nehmen – schon gar nicht bei der Jubiläums-Austragung. Aber ab und an daran zu denken, dass der Sport eben nur eine Nebensache im Leben ist, schadet nicht. Schon gar nicht an einem 11. Juli, wo sich das größte Unglück der Tour-Geschichte mit neun Toten zum 49. Mal jährt.

Weitere Radsportnachrichten

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid Gelbes Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

02.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

01.05.2024Highlight-Video des 61. Eschborn-Frankfurt

(rsn) – Maxim Van Gils (Lotto – Dstny) hat die 61. Ausgabe von Eschborn – Frankfurt (1.UWT) gewonnen. Der 24-jährige Belgier setzte sich über 203,8 Kilometer von Eschborn nach Frankfurt im Spr

01.05.2024Bergkönig Degenkolb feiert in Frankfurt erst nach tiefem Frust

(rsn) - Neben Sieger Maxim Van Gils (Lotto Dstny) war John Degenkolb (dsm–firmenich - PostNL) der Mann des 61. Eschborn - Frankfurt. Der Lokalmatador war 150 Kilometer als Ausreißer unterwegs und k

01.05.2024In der Übersicht: Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

01.05.2024Schachmann düste von der Alten Oper direkt zum Flughafen

(rsn) - Nach dem hessischen Klassiker ist vor dem Giro – zumindest für Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe). Der zweimalige Deutsche Meister musste sich nach der Zieleinfahrt in Frankfurt, be

01.05.2024Deutsche Talente verpassen es, sich in Szene zu setzen

(rsn) - Für die deutschen Fahrer und Teams gab es bei der U23-Variante von Eschborn - Frankfurt (1.2u) nichts zu holen. Nach 129 Kilometern und zwei Feldberg-Überquerungen machte eine international

01.05.2024Highlight-Video der 4. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Kristen Faulkner hat bei der 10. Vuelta Femenina für den zweiten Sieg einer Fahrerin von EF Education – Cannondale gesorgt. Nachdem ihre Teamkollegin Alison Jackson den zweiten Abschnit

01.05.2024Bénin: Bike Aid holt sich mit einem Tag Verspätung Gelb

(rsn) - Nachdem Bike-Aid-Fahrer Yoel Habteab zum Auftakt der Tour du Bénin (2.2) das Gelbe Trikot noch verwehrt blieb, weil ihm der Etappensieg genommen und er hinter Azzedine Lagab auf Platz zwei z

01.05.2024Faulkner landet als Ausreißerin Coup in Zaragoza

(rsn) – Kristen Faulkner hat bei der 10. Vuelta Femenina für den zweiten Sieg einer Fahrerin von EF Education – Cannondale gesorgt. Nachdem ihre Teamkollegin Alison Jackson die 2. Etappe für si

01.05.2024Van Gils krönt im Sprint vor der Alten Oper sein Frühjahr

(rsn) – Im Sprint einer rund 35-köpfigen Spitzengruppe hat Maxim Van Gils (Lotto – Dstny) das 61. Frankfurt-Eschborn (1.UWT) für sich entschieden und damit sein großartiges Frühjahr gekrönt.

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine