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20.05.2019 | (rsn) - Es war der Tag vor dem Start des Giro d’Italia in Bologna, als Simon Yates auf der Pressekonferenz ungewohnt forsch über seine Ambitionen bei dieser Italien-Rundfahrt sprach. Die Frage, wen er als großen Favoriten sehen würde, beantwortete er damals schlicht mit einem Fingerzeig auf sich und der verbalen Ergänzung: “Mich“. Und wäre er sein eigener Konkurrent, “ich würde Angst bekommen und mir in die Hose machen“, legte der Brite schlagzeilentauglich nach. Erfrischendes Selbstbewusstsein? Ja. Eine gewisse Portion Selbstüberschätzung? Vielleicht.
Auch Yates durfte just in dem Moment bewusst gewesen sein: Läuft der Giro nicht wie erwartet, werden ihm diese Worte irgendwann um die Ohren fliegen. Gut zehn Tage später in dieser Zustand gewissermaßen eingetreten. Denn Angst verbreitet Yates aktuell wohl nur unter seinen Anhängern und eigenen Teammitgliedern. Vor allem sein Auftritt im Einzelzeitfahren der 9. Etappe nach San Marino trug dazu bei.
Dabei hatte Yates im Auftaktzeitfahren des Giro in Bologna mit Platz zwei noch überzeugt, dieses Mal erreichte er aber nicht ansatzweise an sein damaliges Niveau. Den Großteil seines Rückstands musste er überraschenderweise in der zwölf Kilometer langen Schlusssteigung hinnehmen, am Ende fehlten ihm satte 3:11 Minuten auf Tagessieger Primoz Roglic (Jumbo - Visma). “Ich habe aktuell keine Erklärung dafür. Er ging Vollgas in den Anstieg hinein und muss später dafür gezahlt haben. Er sah nie wirklich gut aus auf dem Rad. Wir haken es als schlechten Tag ab“, sagte Matt White unmittelbar nach der Etappe.
Yates: "Wir werden definitiv noch etwas versuchen“
Der Sportliche Leiter offenbarte auch, dass man eigentlich mit einem Zeitverlust von rund einer Minute kalkuliert hatte. In der Gesamtwertung liegt Yates nun 3:46 Minuten hinter Roglic zurück, 5:36 Minuten beträgt sein Rückstand auf den Gesamtführenden Valerio Conti (Team UAE Emirates).
Das Thema Rosa Trikot dürfte seit San Marino für Yates erst mal erledigt sein. Am ersten Ruhetag zeigte er sich gegenüber den Reportern noch immer enttäuscht über sein Abschneiden im Zeitfahren, richtete seinen Blick aber auch nach vorne. “Die Rundfahrt ist noch lang, wir werden definitiv noch etwas versuchen“, sagte der 26-Jährige. “Wir haben noch keinen einzigen richtigen Berg in diesem Giro gehabt“, bemühte sich auch White um Optimismus. Die erste richtige Bergetappe erwartet das Fahrerfeld auf dem 13. Teilstück mit Ziel auf 2.247 Metern Höhe in Ceresole Reale. Es folgen fünf weitere Bergetappen, am letzten Tag in Verona steht allerdings auch noch ein Zeitfahren an.
Neue Strategie: Offensive bei jeder Gelegenheit?
“Wir müssen nun die Dinge neu betrachten und unsere Strategie anpassen“, sagte White. Für Yates kann das bis zum Ende des Giro nur bedeuten: Bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Offensive zu suchen – zum einen, um Zeit zu gewinnen, zum anderen, um Roglic zuzusetzen. Hoffnung kann er aus seiner eigenen Geschichte bei dieser Rundfahrt ziehen.
Im Vorjahr dominierte Yates auf ähnliche Weise wie derzeit Roglic den Giro, gewann drei Teilstücke und lag selbst fünf Etappen vor dem Ende noch komfortabel in Führung – um dann auf der vorletzten Bergetappe spektakulär einzubrechen. Der späterer Sieger Chris Froome lag nach der 16. Etappe noch fast vier Minuten zurück. Und nicht wenige vermuten, dass auch Roglic gegen Ende der Rundfahrt die Kräfte schwinden könnten. Yates äußerte sich in der Hinsicht aber zurückhaltend: “Jeder Fahrer ist anders. Aktuell sieht er sehr beeindruckend aus. Ich weiß aber sehr gut, wie es ist, am Ende aufzuplatzen. Es ist noch nichts entschieden.“
Auch White unterstrich die Unberechenbarkeit der ersten GrandTour des Jahres: “Wenn es eine große Rundfahrt gibt, die auf einen Schlag auf den Kopf gestellt werden kann, dann diese. Der Unterschied zwischen einem guten und einen schlechten Tag beim Giro sind nicht Sekunden, sondern Minuten. Dazu muss man nur auf unser Beispiel aus dem Vorjahr gucken.“ Dieses Mal nimmt Yates allerdings die Rolle des Jägers ein – und wird dabei hoffen, den Giro dieses Mal so zu gewinnen, wie er ihn im Vorjahr verloren hat.
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