18. Tour-Etappe endete völlig unerwartet

Vier clevere Ausreißer ließen alle Sprinterträume platzen

Von Joachim Logisch aus Bourg-en-Bresse

Foto zu dem Text "Vier clevere Ausreißer ließen alle Sprinterträume platzen"
Das Feld bei der vergeblichen Aufholjagd im Finale der 18. Tour-Etappe. | Foto: Cor Vos

20.07.2023  |  (rsn) - Kaum einer zweifelte vor dieser 110. Tour de France: Die 18. Etappe ist für die Sprinter reserviert. Doch taktische Fehler, die Müdigkeit nach dem Hochgebirge vieler Beteiligter und vor allem ein Quartett von mutigen Fahrern sorgten dafür, dass die Träume der Männer mit den schnellen Beinen direkt auf der Ziellinie platzten. Knapper geht es nicht!

Denn die Ausreißergruppe, die aus Jonas Abrahamsen (Uno-X), Victor Campenaerts (Lotto - Dstny), dem später dazu gestoßenen Pascal Eenkhoorn (Lotto - Dstny) und Kasper Asgreen (Soudal - Quick-Step) bestand, wurde zeitgleich mit dem Hauptfeld gewertet. Das heißt, der Zusammenschluss erfolgte praktisch in dem Moment, in dem Asgreen als Erster über die Ziellinie rollte.

“Ich wusste, dass wir eine Chance haben würden“, betonte der Däne in der Sieger-Pressekonferenz. Das Erfolgsgeheimnis seiner Gruppe war, dass es keine Konkurrenz unter den Teilnehmern gab. “Viel gesprochen haben wir nicht, jeder wusste, was es braucht, damit es funktioniert und jeder hat mitgezogen. Wir wussten, nur dann können wir gewinnen“, erklärte Asgreen, der von Campenaerts bestätigt wurde: "Ich dachte mir, das passt schon von Beginn an. Kasper war dabei und Abrahamsen. Er ist vielleicht nicht so bekannt, aber ich weiß, wie gut er bergauf fährt und was für ein guter Fahrer er ist. Wir haben uns gleich gut verstanden“, sagte der Belgier.

Die Sprinterteams hielten die Ausreißer an der zu kurzen Leine

Das hätte trotzdem wohl nicht gereicht. Doch das Hauptfeld mit den Sprinterteams hielt die Ausreißer übertrieben vorsichtig bei einem sehr knappen Abstand, so dass Eenkhoorn im Anstieg zur Côte de Boissieu (4.Kat.) noch nach vorn zu seinem Teamkollegen aufschließen konnte. “Das Feld agierte nicht sehr schlau. Es verringerte den Abstand auf eine Minute, so konnte leicht jemand nachspringen. Es war unsere Taktik, Pascal noch nachzuholen“, Campenaerts

So fuhren plötzlich zwei starke Tempobolzer von Lotto Dstny in der Ausreißergruppe mit. Was letztlich entscheidend war. Statt taktische Spielchen auf den letzten 1000 Metern zu beginnen, die Zeit gekostet hätten, ging Campenaerts in den Leadout für Eenkhoorn, um dem Niederländer den Sprint vorzubereiten.

Allerdings war Asgreen in diesem Fall derjenige, der profitierte. “Campenaerts hat für seinen Teamkollegen alles gegeben, dadurch gab es am letzten Kilometer vorne keine Taktiererei vorne. Asgreen hat verdient gewonnen“, kommentierte Boras Sport-Direktor Rolf Aldag die Entscheidung.

“An der 1-Kilometer-Marke, als Victor nach vorne kam, um den Leadout zu übernehmen, wusste ich, dass es reichen wird. Am Ende einer so harten Tour, wo es viele anstrengende Etappen gab, kann nur noch jeder den gleichen Speed fahren, aber kaum einer schneller“, freute sich Asgreen, der mit seinem ersten Tour-Etappensieg alle Sprinterteams zu Verlierern machte.

Politt: “Die Sprinterteams waren zu nervös"

"Ich frage mich, warum wir es nicht geschafft haben, sie mit dem Peloton einzuholen. Wir sind eine Minute hinter den Ausreißern geblieben, mehrere Teams haben sich an der Jagd mit uns beteiligt, aber man muss akzeptieren, dass sie ihren Vorsprung sehr gut verteidigen konnten“, so Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) gegenüber letour.fr. selbstkritisch.

“Ich weiß nicht, ob es damit zusammenhängt, dass wir in der dritten Woche sind und alle ein wenig müde sind“, sinnierte der viermalige Etappensieger dieser Tour und gab sich selbst eine Erklärung: “Ich glaube, sie hatten einfach super Beine, sie waren sehr stark. Hut ab vor ihnen.“

Auch Nikias Arndt (Bahrain Victorious), der für seinen am Tag zuvor während der Königsetappe ausgeschiedenen Sprinter Phil Bauhaus in die Bresche springen sollte, versuchte das Unerwartete zu erklären: “Es sind ja viele andere Sprinter nicht mehr dabei, vielleicht wurde auch zu viel investiert, indem man die Leine so kurz hielt, was dazu führte, dass die Teams am Ende keine Fahrer für die Nachführarbeit hatte. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die durchkommen“, gab der Kölner gegenüber radsport-news.com zu.

Nils Politt (Bora - hansgrohe), der als einer von wenigen im Finale noch Kraft für die Nachführarbeit hatte, sah dagegen eine Art kollektiven Versagen. "Das Problem war, dass die Sprinterteams zu nervös waren und den Ausreißern keinen guten Vorsprung gegeben haben. Dann haben die natürlich auch gespielt und Eenkhoorn fuhr noch hin. Damit haben es alle aus der Hand gegeben“, sagte der Deutsche Zeitfahrmeister, dessen Teamkollege Jordi Meeus Siebter wurde.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.202320 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

(rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

24.07.2023Pogacar vs. Vingegaard: Wer ist der beste Rundfahrer?

(rsn) – Wer ist der beste Rundfahrer der Welt? Für diesen inoffiziellen Titel kommen derzeit nur zwei Profis in Betracht: Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). D

24.07.2023Jumbo - Visma führt auch die Preisgeldliste der Tour an

(rsn) – Jumbo – Visma stellt mit Jonas Vingegaard nicht nur wie im vergangenen Jahr den Toursieger, sondern hat auch beim Preisgeld der 110. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt wieder abgeräumt. In

Weitere Radsportnachrichten

17.05.2024Unschlagbar? Michael Schär erklärt Milans Sieg-Geheimnis

(rsn) - Jonathan Milan drückt den Massensprints auch dank der fein abgestimmten Vorarbeiten seiner Teamkollegen den Stempel bei diesem Giro d’Italia auf. Das weiß der lange Mann aus einem Bergdor

17.05.2024Arbeitslos, verletzt und nun die Nummer zwei im Sprint

(rsn) – Als im vergangenen Herbst das US-amerikanische Team Human Powered Health bekannt gab, dass es 2024 keine Lizenz mehr lösen und eingestellt wird, gehörte der Pole Stanislaw Aniolkowski zu

17.05.2024Bauhaus sicher im Wind und happy mit Rang drei

(rsn) – Es will noch nicht ganz klappen mit dem ersten Sieg bei einer dreiwöchigen Landesrundfahrt für Phil Bauhaus (Bahrain Victorious), doch in Cento landete der 29-Jährige bei der aktuellen A

17.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

17.05.2024Ein schnelles Einzelzeitfahren am Gardasee

(rsn / ProCycling) – Acht Tage nach dem ersten ist es nun Zeit für das zweite und letzte Zeitfahren dieses Giro. Es ist etwas kürzer und etwas weniger anspruchsvoll als der erste Kampf gegen die U

17.05.2024Highlight-Video der 13. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Die vierte und die elfte Etappe hatte sich Jonathan Milan (Lidl – Trek) bereits gesichert, am Freitag schlug der Italiener dann beim 107. Giro d’Italia zum dritten Mal zu. Nachdem er zun

17.05.2024Consonni: “Es war unglaublich, das Team war unglaublich“

(rsn) - Am Ende war die 13. Etappe des Giro d´Italia von Riccione nach Cento der Tag der Sprinter - oder besser gesagt: der Tag des Sprinters. Denn zum dritten Mal bei dieser Ausgabe war der Italiene

17.05.2024ProCycling: Das offizielle Sonderheft zur Tour de France 2024

Keine sechs Wochen dauert es mehr bis zum Start des größten Radrennens der Welt. Am 29. Juni beginnt die 111. Tour de France in Florenz, und schon jetzt verspricht die Rundfahrt Hochspannung vom ers

17.05.2024Pokernder Vangheluwe verjubelt fast den ersten Profisieg

(rsn) – Warre Vangheluwe (Soudal – Quick-Step) hat auf der 4. Etappe der Vier Tage von Dünkirchen (2.Pro) seinen ersten Profisieg gefeiert. Nach 167 Kilometern zwischen Mazingarbe und Pont-à-Mar

17.05.2024Felbermayr: Erst abgeräumt worden, dann die Etappe abgeräumt

(rsn) - Das Team Felt - Felbermayr hat die Königsetappe der Tour of Hellas (2.1) dominiert. So gewann der Österreicher Riccardo Zoidl nach 158 Kilometern an der schweren Bergankunft Velouchi in kna

17.05.2024Milan sprintet zum Giro-Hattrick, Bauhaus Dritter

(rsn) - Jonathan Milan (Lidl - Trek) ist endgültig der dominierende Sprinter bei diesem Giro d’Italia. Auf der 13. Etappe über 179 Kilometer zwischen Riccione und Cento feierte der Italiener berei

17.05.2024Kockelmann lässt Luxemburg und Lotto - Kern Haus jubeln

(rsn) - Mathieu Kockelmann hat beim Orlen Nations GP (2.NC) die Luxemburgische U23-Nationalmannschaft und auch Lotto - Kern Haus - PSD Bank jubeln lassen. Der 20-Jährige, der bei der Koblenzer Equip

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • 4 Jours de Dunkerque / Grand (2.Pro, FRA)
  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)
  • Tour of Hellas (2.1, GRE)
  • Tour of Sakarya (2.2, TUR)