Interview zur Tour de France

Knees: "Ich hatte richtig viel Pech"

Foto zu dem Text "Knees:
Christian Knees (Milram) bei der Tour de France Foto: ROTH

30.07.2010  |  (rsn) – Christian Knees blickt wie seine Milram-Teamkollegen auf eine enttäuschende Tour de France zurück. Im Gespräch mit Radsport News schildert der Deutsche Meister die Gründe für sein schwaches Abschneiden und erklärt, weshalb er mit großer Motivation die restliche Saison in Angriff nimmt.

Mit ein paar Tagen Abstand - wie fällt Ihre Tour-Bilanz aus?

Knees: Ehrlich gesagt auch nicht anders als am Sonntag. Ich hatte richtig viel Pech in diesem Jahr. Ich bin in Topform in die Tour hineingegangen, was meine Leistungen bei der Dauphiné und den DM in Sangerhausen ja auch bewiesen haben. Aber dann bin ich schon auf der 2. Etappe auf regennasser Straße schwer gestürzt und dabei auf meine linke Seite gefallen. Danach hatte ich rund eine Woche große Probleme und konnte nicht mehr 100 Prozent geben – gefühlt waren es sogar nur 25 %. Ich hatte Probleme mit meiner Po- und Beinmuskulatur. Ich konnte nachts deshalb auch nicht richtig schlafen und hatte dazu noch Atemprobleme.

Immerhin haben Sie an einem Tag sogar nach dem Gelben Trikot gegriffen….

Knees: Ja, aber auch an dem Tag, als ich in der Fluchtgruppe war und virtuell im Gelben Trikot fuhr, habe ich mich nicht gut gefühlt. Als wir das alles bis zum ersten Ruhetag einigermaßen in den Griff bekommen hatten, habe ich mir eine Erkältung - Husten, Schnupfen, aber zum Glück kein Fieber - eingefangen und musste drei Tage Antibiotika nehmen. In den Pyrenäen hatte ich zwei Tage, an denen ich nach den ersten Kilometern dachte: ‚Das war’s –Du steigst jetzt in das Begleitfahrzeug und gibst auf’. Aber dann habe ich mich doch durchgekämpft und mich sogar ein bisschen frei fahren können. Für mehr als das Gruppetto hat’s dann aber doch nicht gelangt.

In der dritten Woche lief es dann besser, aber erst auf der letzten Etappe habe ich mich wieder gut gefühlt. Mit meiner Attacke auf den Champs-Eylsees konnte ich mich dann wenigstens noch einmal zeigen, so dass es ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss wurde. Natürlich hatte ich mir das alles ganz anders vorgestellt, aber man kann wohl nicht erwarten, fünf Jahre lang ohne Stürze oder Erkältungen bei der Tour durchzukommen.

Im gesamten Team ist es nicht gelaufen bei dieser Tour. Können Sie sich das erklären?

Knees: Nicht wirklich. Wir wollten unbedingt gute Leistungen zeigen und haben viel probiert, um in die Gruppen zu kommen. Aber das geschah, bevor die TV-Kameras liefen, weshalb man als Zuschauer nichts davon mitbekommen hat. Wir sind als Mannschaft durchaus gut aufgetreten. Vielleicht hat im Tourverlauf dann auch unbewusst eine Rolle gespielt, dass es für Milram nach der Saison nicht weitergehen wird und wir haben uns zu sehr unter Druck gesetzt. Dazu kam, dass fast alle mit Erkältungen zu kämpfen hatten. Vielleicht ist es aber auch einfach nur so: Wenn man einmal die Scheiße am Hacken hat, dann richtig….Natürlich war der zweite Etappenplatz von Gerald Ciolek ein gutes Ergebnis, auch Luke Roberts als Etappenfünfter war stark. Aber insgesamt ist es natürlich so gewesen, dass es nicht das war, was wir uns vorgenommen hatten.

Vor allem in den Bergen fiel das Team immer wieder früh zurück und fuhr hinterher. Woran lag das?

Knees: Zunächst einmal muss man sagen, dass ja keiner von uns auf Gesamtwertung gefahren ist. Linus Gerdemann hatte nach seinem Platz zehn aus dem Prolog zunächst noch gute Chancen. Aber dann hat sich gezeigt, dass alle die Fahrer, die den Giro voll auf Anschlag gefahren waren – und dazu zählte auch Linus – bei dieser Tour keine Chance im Gesamtklassement hatten. Linus hatte zudem großes Pech mit seinen Versuchen, in die Gruppe des Tages zu kommen. Er hat viel probiert und wenn er es geschafft hätte, hätte er auch eine Etappe gewinnen können. Gleiches gilt für Thomas Rohregger. Was willst Du machen, wenn Du schon in einer Gruppe dabei bist, die aber wieder gestellt wird und gleich die nächste lässt das Feld ziehen? Da braucht es eben manchmal auch eine klitzekleine Portion Glück – und die hatten wir eben nicht.

Hat es die Fahrer demotiviert, als Gerry Van Gerwen schon am ersten Ruhetag bekannt gegeben hat, dass es wohl nicht mehr weitergehen wird?

Knees: Eigentlich müsste in einem solchen Fall die Motivation ja noch größer werden, weil man als Fahrer andere Teams auf sich aufmerksam machen will. Ich denke aber, dass es weder so noch so eine große Rolle gespielt hat. Wir Fahrer sind es ja gewohnt, alle zwei Jahre nach einem neuen Team bzw. neuen Vertrag Ausschau zu halten. Für den deutschen Radsport insgesamt ist es natürlich traurig, dass es kein deutsches ProTour-Team mehr geben wird.

Das Team hat viel Kritik aus der Heimat wegen seiner Leistungen bei der Tour einstecken müssen. War die Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

Knees: Die Leute, die uns kritisieren, sind ja fast alle beim Rennen nicht dabei gewesen oder haben nicht alles mitbekommen. Man kann eben nicht immer von einer Endplatzierung darauf schließen, ob man ein gutes oder ein schlechtes Rennen gefahren ist. Natürlich ist es nicht schön, solche Kritik zu lesen. Andererseits ist es das gute Recht eines jeden, Kritik zu üben und man soll da auch nichts schön reden. Und teilweise stimmt ja auch, was da geschrieben worden ist.

Sie sind von Anfang an bei Milram dabei. Jetzt, wo der Sponsor abspringt - wie geht es mit Ihnen weiter?

Knees: Ich bin zuversichtlich, dass ich auch künftig in einem ProTour-Team fahren werde. Es gibt momentan Gespräche und auch Interesse von diversen Mannschaften. Ich habe einen Manager, der für mich die Lage sondiert. Unterschrieben ist aber noch nichts.

Wie steht es denn mit der Motivation aus nach dieser enttäuschenden Tour?

Knees: Die ist auf jeden Fall noch da. Ich bin ja gut aus der Tour rausgekommen und nicht so total erschöpft wie in den vergangenen Jahren. Wie gesagt: Ich bin mit meiner Tour nicht zufrieden, weil ich nicht zeigen konnte, was ich drauf habe. Mir geht es jetzt wieder gut und ich habe noch große Lust auf Radrennen. Das war etwa letztes Jahr nicht so der Fall. Da war ich danach richtig ausgebrannt.

Was haben Sie sich für den Rest der Saison noch vorgenommen?

Knees: Ich werde am Samstag in San Sebastian fahren. Danach stehen die Hamburg Cyclassis und die Benelux-Rundfahrt (Eneco-Tour, d. Red.) als weitere Saisonhöhepunkte in meinem Programm. Dann folgen zwei ProTour-Rennen in Kanada und schließlich hoffe ich, dass ich vom BDR für die Straßen-WM in Australien nominiert werde.

Mit Christian Knees sprach Matthias Seng.

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