Zum zweiten Mal Zweiter hinter einem Ausreißer

Ewan fehlte in San Remo nicht die Kraft, sondern ein Helfer

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Ewan fehlte in San Remo nicht die Kraft, sondern ein Helfer"
Caleb Ewan (Lotto Soudal) fuhr hinter Wout Van Aert (Jumbo - Visma) als Zweiter über den Poggio. | Foto: Cor Vos

21.03.2021  |  (rsn) - Zum zweiten Mal in seiner Karriere hat Caleb Ewan am Samstag den Sprint auf der Via Roma gewonnen. Doch zum zweiten Mal stand er trotzdem nur auf der zweiten Stufe des Podiums von Mailand-Sanremo. Der Australier spurtete am Ende erneut einem Ausreißer hinterher, der sich kurz vor ihm jubelnd über den Zielstrich rettete. Das war 2018 so, als Vincenzo Nibali triumphierte, und nun erneut mit Jasper Stuyven als Sanremo-Sieger.

"Es ist schon eine starke Leistung, aber eben mit dem bitteren Beigeschmack, eigentlich den Sprint gewonnen und doch das Rennen verloren zu haben", schilderte Roger Kluge gegenüber radsport-news.com am Samstagabend die Gefühlslage bei Lotto Soudal und seinem kleinen australischen Freund Ewan. "Wir sind stolz auf ihn!"

Das durfte man auch sein, und das durfte auch Ewan selbst sein. Doch beim 26-jährigen Australier überwog nach dem Rennen trotzdem die Enttäuschung. "Als ich zum ersten Mal Zweiter war, war das ein gutes Ergebnis. Es war damals mein zweites Mailand-Sanremo und die Bestätigung, dass ich eines Tages gewinnen könnte", blickte er zurück. "Aber diesmal bin ich ziemlich enttäuscht."

Klar, wenn man über 299 Kilometer eigentlich alles richtig gemacht hat in seiner Rolle als Top-Sprinter und als wohl schnellster Mann der Favoritengruppe, die es über den Poggio geschafft hat, nach San Remo hinunterrauscht – und das alles nur acht Tage nachdem Ewan krankheitsbedingt Tirreno-Adriatico vorzeitig verlassen hatte.

Ewan war auf die Poggio-Attacke perfekt vorbereitet

Vor allem am Poggio imponierte Ewan. Er sortierte sich, von Jasper De Buyst und Tim Wellens pilotiert, ganz vorne im Feld ein, saß den gesamten Anstieg im das Tempo diktierenden Ineos-Zug an der Spitze des Feldes und wirkte bärenstark. Als dann Julian Alaphilippe (Deceuninck – Quick-Step) 6,8 Kilometer vor dem Ziel die erwartete Attacke ritt, konnte er mit den Besten mitfahren. Viele überraschte das, ihn selbst nicht.

"Ich habe dieses Jahr versucht, meine Kletterfähigkeiten wirklich zu verbessern und habe sogar exakt diese Attacke am Poggio oft trainiert vor dem Rennen. Deshalb wusste ich, dass ich in der Lage sein sollte, sie mitzugehen, wenn sie kommt", verriet der in Monaco unweit von San Remo lebende Australier nach dem Rennen. Als es im Rennen dann soweit war, habe er zwar natürlich etwas gelitten, doch er habe sich noch relativ gut gefühlt.

"In dieser Situation ist es immer eine Lotterie"

Der Grund, warum er trotz seiner Sprintfähigkeiten am Ende nicht gewann, war dann schließlich taktischer Natur: "Am Ende waren nur noch die Kapitäne vorne, und dann ist es, wie es ist im Radsport: Wenn dann einer fährt und sich die Anderen eine Sekunde angucken, dann hat er Glück – und wenn er dann noch die Beine hat, kommt er auch an", schilderte Kluge die entscheidende Szene, als Stuyven ausgangs der Poggio-Abfahrt die Favoritengruppe mit einem Antritt überraschte und niemand mehr einen Helfer dabei hatte, der sofort die Verfolgung übernehmen konnte.

"Es wäre schön gewesen, da noch einen bei mir zu haben, um es zusammen zu halten, denn wenn die Gruppe zusammen bleibt, sollte ich normalerweise der Schnellste dort sein", sagte auch Ewan nach dem Rennen. "In dieser Situation ist es immer eine Lotterie, denn es wird in dieser Situation immer eine Attacke geben und ich muss warten. Denn ich kann auch nicht einfach nach vorne fahren und alle wieder ran bringen. Ich musste das Risiko eingehen und bin es eingegangen. Ich habe getan, was ich dachte, dass ich tun musste, um zu gewinnen. Aber am Ende haben wir zu lange gewartet."

Im Finale fehlte ein wichtiger Helfer

Die Tatsache, dass oben am Poggio noch elf Mann aus elf unterschiedlichen Teams vorne beisammen waren, sorgte für Spannung, warf aber auch eine Frage auf: Wo waren die Helfer der Spitzenfahrer und die B-Kapitäne? Hatte da jemand zu früh die Beine hochgenommen oder war der Plan nicht ideal? Die Teamleitungen sämtlicher Mannschaften, die einen Sprint sehen wollen, müssen sich fragen lassen, ob es vielleicht sinnvoll wäre, auch einen zweiten Mann fürs Finale zu schonen, der trotzdem mit einer klaren Helferrolle betraut ist und nicht die Beine hochnimmt, wenn er seine eigenen Chancen nicht mehr sieht.

Im konkreten Beispiel Lotto Soudal durfte man sich schon fragen, warum jemand wie Philippe Gilbert oder Tim Wellens nicht mit über den Poggio kommt, wenn es Ewan schafft – auch wenn Wellens Ewan zwischen Cipressa und Poggio aus dem Wind hielt und positionierte.

Hätte, wäre, wenn – am Ende blieb zu bilanzieren: "Er hat wieder bewiesen, dass er das Rennen gewinnen kann. Er ist ja noch jung und es wird sicher das eine oder andere Jahr kommen, in dem es auch passt und keiner wegfährt oder er vielleicht noch einen Teamkollegen hat, der das Loch auch zufahren kann", so Kluge.

Mehr Informationen zu diesem Thema

22.03.2021Kwiatkowski fuhr Tirreno und Sanremo mit gebrochener Rippe

(rsn) - Michal Kwiatkowski (Ineos Grenadiers) hat sich vor drei Wochen bei der Trofeo Laigueglia eine Rippe gebrochen. Das teilte der Pole auf Twitter mit. Kwiatkowski war im Finale des Eintagesrennen

21.03.2021Die Stimmen aller Protagonisten von Mailand-Sanremo

(rsn) – Jasper Stuyven (Trek – Segafredo) hat in San Remo den großen Coup gelandet und sein erstes Monument gewonnen – dafür schauten die Top-Favoriten in die Röhre. Radsport-news.com hat die

21.03.2021Andersen: “Werde aus den Fehlern lernen, aber die Form ist gut“

(rsn) – Sören Kragh Andersen (Team DSM) war für Jasper Stuyven auf dem Schlusskilometer von Mailand-Sanremo der Schlüssel zum Erfolg. Nur weil der Däne dem Belgier allein hinterhergesprungen war

21.03.2021Video: So feierten Stuyven und seine Teamkollegen im Bus

(rsn) – Musik ist Geschmackssache – gute Laune ist aber gute Laune. Und letztere hatten Jasper Stuyven und seine Teamkollegen bei Trek – Segafredo nach dem Triumph des Belgiers in San Remo auf j

21.03.2021Stuyven wurde in San Remo vom ewigen Talent zum Monument-Star

(rsn) – Elfeinhalb Jahre ist es her, dass Jasper Stuyven in Moskau Junioren-Weltmeister wurde. 17 war der Belgier damals, als er sich im Sprint einer zehnköpfigen Gruppe vor Arnaud Démare und Marc

21.03.2021Stuyvens Siegbringer: das Näschen, Ewan und Kragh Andersen

(rsn) - Die 112. Austragung von Mailand-Sanremo bot ein altbekanntes Szenario: über Stunden hin Langeweile und dramatische letzte zehn Kilometer. Mit dem Sieger Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) all

21.03.2021Bora – hansgrohe: Bittersüße Ergebnisse in San Remo

(rsn) - Das erste Monument des Jahres ist Geschichte, und auch wenn die Ergebnisse von Bora – hansgrohe am Ende der 299 Kilometer von Mailand nach San Remo nicht monumental waren, so war die Leistun

20.03.2021Highlight-Video des 112. Mailand-Sanremo

(rsn) - Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) hat bei der 112. Ausgabe von Mailand-Sanremo die Favoriten düpiert und nach 299 Kilometern des Frühjahrsklassikers den größten Erfolg seiner Karriere eing

20.03.2021Van der Poel: “Stuyven hat den richtigen Moment abgepasst“

(rsn) - Als Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) auf der Via Roma fast zeitgleich mit Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) den Sprint der Verfolger eröffnete, schien zumindest noch ein Podi

20.03.2021Stuyven knackt den Jackpot, die Favoriten verzocken sich

(rsn) - Mit einer überraschenden Attacke knapp drei Kilometer vor dem Ziel triumphierte Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) bei der 112. Austragung von Mailand-Sanremo. In einem taktisch geprägten Final

20.03.2021Stuyven düpiert die Favoriten, Sagan Vierter

(rsn) - Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) hat bei der 112. Ausgabe von Mailand-Sanremo die Favoriten düpiert und nach 299 Kilometern des Frühjahrsklassikers den größten Erfolg seiner Karriere eing

20.03.2021Gazprom-RusVelo gibt Debüt bei Katalonien-Rundfahrt

(rsn) - Gazprom - RusVelo wird erstmals in seiner Geschichte an der Katalonien-Rundfahrt (22. - 28. März) teilnehmen. Der russische Zweitdivisionär ist mit einer Wildcard ausgestattet und wird bei d

Weitere Radsportnachrichten

06.05.2024O’Connor “muss jetzt die Konsequenzen tragen“

(rsn) – Wenn Ben O’Connor (Decathlon – AG2R La Mondiale) in diesem Jahr irgendwo an den Start ging, war es meistens von Erfolg gekrönt. Auf seinen Sieg bei seinem Saisonauftakt bei der Murcia-R

06.05.2024In Frankfurt und in Vorarlberg gab es wenig zu holen

(rsn) - Die deutschen KT-Teams hatten in dieser Woche ein volles Rennprogramm. Doch die erhofften Erfolge sprangen dabei gegen die internationale Konkurrenz nicht heraus.Die ereignisreichste Woche ha

05.05.2024Eine erste Chance für die Sprinter

(rsn / ProCycling) – Nachdem sie sich zwei Tage lang "aufwärmen" konnten, ist es nun für die schnellen Männer des Pelotons Zeit, ihren Job zu verrichten. Bevor sie jedoch ihren ultimativen Zielsp

05.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

05.05.2024Pogacar auf den Spuren Pantanis

(rsn) - 1999 hatte Marco Pantani am Fuße des Anstiegs zur Kapelle nach Oropa einen Defekt. Die Kette fiel ihm herunter. Es dauerte, bis ein Materialwagen bei ihm war. Fahrer um Fahrer zog derweil an

05.05.2024Nur ein Defekt bremste Martinez hinauf nach Oropa

(rsn) – Gut fünf Kilometer vor dem Ziel der 2. Etappe am Santuario di Oropa gab es Grund zur Beunruhigung beim Team Bora – hansgrohe. Am Ende des Tages aber sah man nichts als strahlende Gesichte

05.05.2024Martinez: “Das Resultat ist großartig für unsere Moral“

(rsn) – Mit einem Tag “Verspätung“ hat Tadej Pogacar am Sonntag bei der ersten Bergankunft den erwarteten Etappensieg am Auftaktwochenende des 107. Giro d’Italia eingefahren. Am Santuario di

05.05.2024Highlight-Video der 2. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Zum Auftakt des 107. Giro d’Italia (2.UWT) musste sich Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) noch mit Rang drei begnügen. An der ersten Bergankunft jedoch gab es für den Top-Favoriten kein H

05.05.2024Pogacar stürmt in Oropa trotz Sturz ins Rosa Trikot

(rsn) – Marco Pantani triumphierte 1999 an der Wallfahrtskirche Santuario di Oropa dank einer historischen Aufholjagd, nachdem er am Fuße des Anstiegs durch einen Defekt gestoppt worden war. 25 Jah

05.05.2024De Lie in der Bretagne auch durch zwei Plattfüße nicht zu stoppen

(rsn) – Nach Platz zwei im Vorjahr hat sich Arnaud De Lie (Lotto – Dstny) die 41. Ausgabe von Tro Bro Léon (1.Pro) gesichert. Der 22-jährige Belgier entschied in der Bretagne das über 203,6 Kil

05.05.2024Vollering nutzt Rückenwind-Passage zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Mit einem weiteren überragenden Auftritt hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) die 10. Vuelta Femenina (2.UWT) souverän für sich entschieden. Die 27-jährige Niederländerin schüttelt

05.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 2. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)