Jumbo-Kapitän stürmt ins Rosa Trikot

Roglic trotzt dem Pech und bezwingt selbstsicheren Thomas

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Roglic trotzt dem Pech und bezwingt selbstsicheren Thomas "
Roglic flog bergauf ins Rosa Trikot des 106. Giro d´Italia | Foto: Cor Vos

27.05.2023  |  (rsn) - In einem Zeitfahrdrama kulminierte beim 106. Giro d’Italia der Kampf um das Rosa Trikot. Extrem selbstsicher ging Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) in die 18,6 Kilometer von Tarvisio hinauf zur Bergankunft auf dem malerischen Monte Lussari nahe der slowenischen Grenze. Als sein Herausforderer Primoz Roglic (Jumbo – Visma) nach einem Defekt vom Rad musste, schien der Waliser auf dem Weg zum Triumph bei der Italien-Rundfahrt zu sein. Doch abgerechnet wurde im Ziel. Und da jubelte der Slowene mit seinen Landleuten, die zu Tausenden die Strecke gesäumt hatten.

Alle Fachleute erwarteten auf dem extrem schweren Kurs einen Sekundenkrimi zwischen den beiden Protagonisten dieses Giro. Umso mehr verwunderte es, mit welcher Seelenruhe Thomas nach den ersten zehn flachen Kilometern in die 25 Meter große Wechselzone fuhr, seinen Zeitfahrhelm auszog, um ihn gegen die Straßenvariante zu tauschen.

Ohne in Hektik zu verfallen, schloss er die Spange, stieg auf die Straßenmaschine, um von seinem Betreuer angeschoben zu werden. Gestoppte 11,6 Sekunden dauerte das ganze Procedere, bei dem der ehemalige Tour-de-France-Sieger ungerührt zur Kenntnis nahm, dass er von unfairen Zuschauern ausgebuht wurde. “In meinen Augen war er da extrem selbstbewusst“, fand Ralph Denk, der Team-Besitzer von Bora - hansgrohe, gegenüber radsport-news.com.

Ein Fan gab Roglic bergauf den nötigen Anschub

Was wirklich hinter dieser für ein Zeitfahren untypischen Szene stand, werden wir wohl nie erfahren. Ganz anders absolvierte Roglic seinen “Boxenstopp“, ohne ebenfalls hektisch zu wirken. Nach 6,3 Sekunden saß der Jumbo-Kapitän wieder auf dem Rad, um den knapp acht Kilometer langen Schlussanstieg in Angriff zu nehmen.

Bei der folgenden ersten Zwischenzeit hatte Roglic nun 16 Sekunden Vorsprung und schien auf dem Weg zum mindestens sicheren Tagessieg zu sein. Doch im steilen Anstieg fuhr der dreimalige Vuelta-Sieger durch ein Entwässerungsloch in der Straße. Durch den Schlag fiel die Kette runter. Roglic legte sie sofort wieder auf, wurde beim erneuten Anfahren aber von seinem Mechaniker behindert, der mit dem Ersatzrad auf der Schulter vom Begleitmotorrad gesprungen war, um ihm zu helfen.

Zum Glück stand in dem eigentlich für Zuschauer gesperrten Streckenabschnitt ein Fan, der ihm den nötigen Anschub geben konnte. “Meine Kette ist abgefallen und ich musste neu starten. Ich hatte Glück, dass jemand da war, der mich anschieben konnte, denn es war so steil“, bedankte sich Roglic, der zu diesem Zeitpunkt seinen Vorsprung aufgebraucht hatte.

“Als er (Roglic) ein Problem mit seinem Fahrrad hatte, dachte ich, es sei vorbei, aber zum Glück blieb er konzentriert“, beschrieb Jumbos Sportlicher Leiter Addy Engels die Schrecksekunden. Auch Roglics Teamkollegen im Ziel schlugen vor Schreck und Enttäuschung die Hände vors Gesicht.

Der Defekt setzte bei Roglic zusätzliche Kräfte frei

Doch der Defekt und die vielen Landsleute an den Streckenpassagen lösten beim Slowenen wohl einen Adrenalinschub aus, denn von nun an schien Roglic bergauf zu fliegen. An der dritten Zwischenzeit hatte er seinen Vorsprung zu Thomas auf 29 und im Ziel sogar auf 40 Sekunden ausgebaut. Mehr als genug für den Tagessieg und um die 26 Sekunden Rückstand auf Thomas, mit dem er in die 20. Etappe gegangen war, noch gutzumachen.

"Fünf Tage nach meinem zweiten Sturz beim Giro hatte ich immer noch ein wenig zu kämpfen, aber ich habe weitergemacht. Ich habe immer noch Schmerzen, aber heute hatte ich die Beine für einen Sieg und es lief gut“, sagte Roglic in der Sieger-Pressekonferenz. “Ich habe es dank des Publikums geschafft“, fuhr er fort. “Die Unterstützung all dieser Leute werde ich nie vergessen“, erklärte er, wem er den Höhenflug zu verdanken hatte. “Ich hatte eine Gänsehaut und Tränen in den Augen, als ich all diese Leute sah, die mich anfeuerten. Das Ergebnis hat mich nicht so sehr interessiert. Ich bin unglaublich stolz darauf, der Fahrer zu sein, für die sie hierhergekommen sind."

Mehr Informationen zu diesem Thema

23.11.2023Buitrago will erstmals zur Tour und um das Weiße Trikot kämpfen

(rsn) – Nach zwei Giro-Etappensiegen in den beiden vergangenen Jahren hofft Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) in der kommenden Saison auf sein Tour-de-France-Debüt. Dann möchte der Kolumbiane

31.07.2023Baudin nach Tramadol-Missbrauch vom Giro disqualifiziert

Neo-Profi Alex Baudin (AG2R - Citroen) ist nachträglich vom Giro d´Italia 2023 ausgeschlossen worden. Das teilte die UCI am Montag mit. Grund dafür ist der Fund des Schmerzmittels Tramadol in den B

04.06.2023ASO plant Corona-Protokoll für die 110. Tour de France

(rsn) – Nachdem beim diesjährigen Giro d’Italia zahlreiche Fahrer wegen Corona-Infektionen ausschieden, werden die Organisatoren der Tour de France laut der französischen Nachrichtenagentur AFP

01.06.2023“Fanboy“ Heßmann zitterte mit Roglic am Monte Lussari

(rsn) – Viel besser hätte das Grand-Tour-Debüt für Michel Heßmann (Jumbo – Visma) nicht laufen können. Während der Deutsche mit einigen Teamkollegen auf dem Monte Lussari wartete, sicherte s

31.05.2023Thomas enttäuscht, “dass ich es nicht vollenden konnte“

(rsn) – Um ganze 14 Sekunden musste sich Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) beim 106. Giro d´Italia Primoz Roglic (Jumbo – Visma) geschlagen geben. Der 33-jährige Slowene nahm dem Briten am vorle

31.05.2023Startet Giro-Sieger Roglic auch bei der Tour de Suisse?

(rsn) – Giro-Sieger Primoz Roglic wurde am Dienstag in Amsterdam von seinem Team Jumbo – Visma mit einer großen Feier geehrt. Die Veranstaltung nutzte der niederländische Fernsehsender NOS, um d

30.05.2023Pinot will nach dem Giro auch die Abschieds-Tour

(rsn) – Nach seiner erfolgreichen Abschiedsvorstellung beim Giro d’Italia, den er auf Rang fünf beendete, will Thibaut Pinot (Groupama – FDJ) nun auch ein letztes Mal bei der Tour de France sta

29.05.2023Kriegers Giro-Leiden wurden mit Rang fünf in Rom belohnt

(rsn) - Alexander Krieger (Alpecin - Deceuninck) beendete den mit vielen Tiefschlägen verbundene 106. Giro d`Italia mit einem sportlichen Ausrufezeichen. Der Stuttgarter belegte auf der Schlussetappe

29.05.2023Entdeckungen und Überraschungen: Die Geschichten des Giro

(rsn) – Vor dem 106. Giro d’Italia schien die Ausgangsposition klar zu sein: Es würde ein Duell um den Gesamtsieg zwischen Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und Primoz Roglic (Jumbo – Vis

29.05.2023Ackermanns Traum vom Sieg beim Giro-Finale endete in der Bande

(rsn) - Vor drei Jahren gewann Pascal Ackermann (UAE Team Emirates) in Madrid die Schlussetappe der Vuelta a Espana. Das Kunststück wollte der Pfälzer auch beim 106. Giro d’Italia beim Finale in R

28.05.2023Thomas lotst Cavendish in Rom zum letzten Etappensieg

(rsn) – Sieben Sprints hatte der 106. Giro d’Italia und jedes Mal gab es einen anderen Sieger. Beim letzten Akt spurtete Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) in Rom nach 126 Kilometern mit großem Vo

28.05.2023Cavendish: “Meine Jungs und ... meine Freunde waren super“

(rsn) - Der Weg zur Siegerehrung in Rom wurde für Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) zum Gratulations-Parcours! Fast jeder Fahrer, dem er begegnete, beglückwünschte den Manx Man zum Gewinn der 21. E

Weitere Radsportnachrichten

28.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

28.04.2024Dorn in der Türkei am Berg und beim Zwischensprint der Stärkste

(rsn) - Vor allem für die Teams Bike Aid und rad-net - Oßwald verlief die zurückliegende Woche erfolgreich. Santic - Wibatech, MYVELO und Rembe Sauerland konnten gegen WorldTour-Konkurrenz zuminde

28.04.2024Famenne Classic: De Lie feiert seinen ersten Saisonsieg

(rsn) - Arnaud De Lie (Lotto - Dstny) hat bei der Famenne Ardeche Classic (1.1) seinen ersten Saisonsieg eingefahren. Der Belgier setzte sich nach hügeligen 195 Kilometern rund um Marche-en-Famenne

28.04.2024Lidl - Trek gewinnt trotz Stürzen Auftakt der Vuelta Femenina

(rsn) – Trotz eines Sturzes in der letzten Kurve hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Obwohl Ellen van Dijk und Eleanor Bac

28.04.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat zum Abschluss der 77. Tour de Romandie (2.UWT) seinen zweiten Tagessieg eingefahren. Der Franzose entschied bei regnerischem Wetter die 5. E

28.04.2024Zangerle verpasst für sein Team nur knapp den Heimsieg

(rsn) –Lukas Kubis (Elkov – Kasper) hat in Österreich das 62. Kirschblütenrennen gewonnen, das erstmals als UCI-Rennen der Kategorie 1.2 ausgetragen wurde und zugleich der zweite Stopp der Road

28.04.2024Carlos Rodriguez feiert Gesamtsieg vor Vlasov und Lipowitz

(rsn) – Beinahe noch eine Spur deutlicher als auf der 1. Etappe ging es im Sprint der Schlussetappe der Tour de Romandie (2.UWT) zu. Der Sieger war dabei derselbe: Dorian Godon (Decathlon – AG2R L

28.04.2024Lechner lässt in Tschechien nichts mehr anbrennen

(rsn) – Am letzten Tag der Gracia-Rundfahrt (2.2) hat Corinna Lechner (Wheel Divas) nichts mehr anbrennen lassen und sich den Gesamtsieg der tschechischen Rundfahrt gesichert. Auf der 5. Etappe, di

28.04.2024Van den Broek gewinnt als erster Niederländer Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Wegen Regen und Wind musste die Schlussetappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) abgesagt werden. Frank van den Broeck (dsm-firmenich – PostNL) verteidigte so kampflos sein Führungstrikot

28.04.2024Lipowitz mit seiner Giro-Generalprobe mehr als happy

(rsn) – Auch wenn er im Vorjahr bei der Czech Tour die Gesamtwertung gewann, so ist die diesjährige Tour de Romandie als Durchbruch in der Karriere von Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) zu bewe

27.04.2024Reusser zurück im Feld und auf dem Weg zu Olympia

(rsn) - Knapp ein Monat ist seit dem schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vergangen, der für die 32-jährige Marlen Reusser (SD Worx - Protime) schwere Folgen hatte. Ober- und Unterkiefer, die

27.04.2024Huys saust im Zeitfahren allen davon

(rsn) – So schnell wie Tabea Huys (Maxx Solar Rose Women Racing) war noch nie eine Athletin auf dem 13,5 Kilometer langen Zeitfahrparcours der Gracia-Rundfahrt in der Tschechischen Republik. Seit 20

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)