Gewinner und Verlierer der Spanien-Rundfahrt

Evenepoel: “Es war eine erstaunliche Vuelta für mich“

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Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) grüßt beim Sieg auf Etappe 18 seine Frau Oumi. | Foto: Cor Vos

14.09.2023  |  (rsn) - Mit seinen Händen formte Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) im Ziel der 18. Etappe hinauf zum Puerto de La Cruz de Linares den Buchstaben O. Ein Hinweis auf seine Frau Oumi. Diese hatte ihm am Tag zuvor eine Nachricht geschickt, dass er einen weiteren Etappensieg bei der Vuelta a Espana doch bitte ihr widmen soll. Und Oumi hat das Glück, mit Evenepoel einen Mann an ihrer Seite zu haben, der im Radsport solche Siege mit bemerkenswerter Leichtigkeit einfahren kann.

Also bekam sie ihren Etappenerfolg bereits einen Tag später: Evenepoel ging in die Fluchtgruppe, war um Klassen besser als jeder seiner Begleiter und holte sich schließlich den Sieg mit satten 4:44 Minuten an Vorsprung auf den Tageszweiten Damiano Caruso (Bahrain Victorious).

Neben dem O hatte Evenepoel allerdings eine zweite Botschaft. Er deutete mit dem Finger auf seinen Kopf. "Das war ein Zeichen dafür, dass ich mental nicht zu brechen bin", gab Evenepoel später bei der Pressekonferenz als Erklärung ab. Der Sieg am Puerto de La Cruz de Linares war sein dritter Tagessieg bei dieser Rundfahrt, alle auf schweren Bergetappen eingefahren. Und es mutet weiter merkwürdig an, dass Evenepoel trotz dieser Leistungen nur auf Platz 13 der Gesamtwertung liegt.

Doch es gab eben auch den Auftritt auf der 13. Etappe hinauf zum Col du Tourmalet, an dem Evenepoel einen desaströsen Tag erwischte, früh zurückfiel und schließlich 27 Minuten einbüßte. Der Tank sei einfach leer gewesen, gab er später zu.

Den Tourmalet galt es schnell zu vergessen

"Ich hatte einen schlechten Tag in einem schlechten Moment, an dem man eigentlich seine besten Beine braucht. Ich hatte aber womöglich die schlechtesten meiner Karriere. Es bleibt nur, diesen Tag so schnell wie möglich zu vergessen", sagte Evenepoel rückblickend.

Seitdem fährt er sein eigenes Rennen, und das sehr erfolgreich: Abseits von Primoz Roglic, Jonas Vingegaard, Sepp Kuss und Co. darf er sich in Fluchtgruppen austoben und ist dort mit seinen Qualitäten kaum aufzuhalten. Teamchef Patrick Lefevere nannte die neue Herangehensweise in der belgischen Zeitung Het Nieuwsblad eine "Alles ist möglich, nichts ist nötig"-Mentalität. Es ist ein anderer Radsport, fernab des Belauerns unter den Klassementfahrer.

"Es macht großen Spaß, so zu fahren", sagte Evenepoel zwischendurch zu seinen neuen Freiheiten. Entsprechend wird der 23-Jährige aufgrund seiner Fahrweise letztendlich als ein Gewinner dieser Vuelta in Erinnerung bleiben – zum einen anhand der Ergebnisse, zum anderen aber auch wegen seiner Geste an den Kopf im Ziel der 18. Etappe.

Evenepoel sammelt in der letzten Woche sämtliche Trostpreise ein

Denn nach dem Einbruch hätte Evenepoel auch einen Haken an diese Vuelta machen und enttäuscht abreisen können. Das Ziel war der Gesamtsieg wie im Vorjahr – dieses Projekt war krachend gescheitert. Doch stattdessen belebte er als Reaktion fortan fast jede Etappe mit seinen offensiven Auftritten – und sammelte sämtliche Trostpreise, die für einen gescheiterten Klassementfahrer in der dritten Woche einer Grand Tour noch abgreifbar sind. Neben den Etappensiegen ist ihm auch das Bergtrikot mittlerweile sicher – vorausgesetzt er erreicht am Sonntag Madrid.

"Es ist toll, die Etappe mit einem so guten Gefühl zu beenden und am Ende der Vuelta so gute Beine zu haben. Es bedeutet, dass ich mich weiter verbessere und dass ich nur in der zweiten Woche eine schlechte Woche hatte. Also denke ich, wir sollten einfach glücklich und stolz sein", so Evenepoel nach dem dritten Sieg.

Trotzdem bleibt der Beigeschmack hinter seiner Spanien-Rundfahrt. Evenepoel war als Titelverteidiger im Vorfeld einer der großen Favoriten, der nun in der dritten Woche keine Rolle mehr um die Spitzenpositionen spielt. Das dürften auch die drei Etappensiege nicht vollends auffangen.

Ohne Evenepoel ist Jumbo – Visma ohne Konkurrenz

Sein Einbruch hat zudem den Kampf um den Gesamtsieg zur Jumbo-Visma-Show werden lassen. Mit der Form, die Evenepoel nun zum Ende der Vuelta zeigt, hätte er dem Jumbo-Trio Sepp Kuss, Jonas Vingegaard und Primoz Roglic womöglich Paroli bieten können und das Rennen wäre auch unter den drei Gelbschwarzen wohl völlig anders verlaufen.

Stattdessen kann die niederländische Equipe nun quasi ungestört entscheiden, wer von ihren Fahrern die 78. Spanien-Rundfahrt gewinnt. Die Angst vor Evenepoel zeigte sich laut Evenepoel exemplarisch am Tag nach dessen Einbruch, als er in die Fluchtgruppe wollte und Jumbo – Visma hinterherfuhr – trotz seiner über 27 Minuten Rückstand im Klassement. "Ich musste Jonas Vingegaard zehnmal erklären, dass ich nicht mehr auf Gesamtwertung fahre, aber er hat mir nicht geglaubt“, sagte Evenepoel damals. In Wirklichkeit hatten aber auch andere Faktoren, wie beispielsweise ein Vorstoß von Marc Soler (UAE Team Emirates) auf jener 14. Etappe für die Tempojagd der Niederländer gesorgt – und natürlich die grundsätzliche Herangehensweise der Gelbschwarzen, die Etappen schnell und schwer zu machen.

Auf der Pressekonferenz nach seinem Sieg am Puerto de La Cruz de Linares fasste Evenepoel seine Spanien-Rundfahrt treffend zusammen: "Mein dritter Etappensieg ist ein toller Abschluss. Es war eine erstaunliche Vuelta für mich, auch wenn der Plan für die Gesamtwertung nicht aufgegangen ist." Ob er auf der letzten bergigen Etappen am Samstag noch einmal angreift, ließ Evenepoel offen. Er hat seine Vuelta bereits gerettet. Eine Krönung gab es jedoch nicht.

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