Mit vollem Risiko zum WM-Triumph

Kwiatkowski ließ sich in Ponferrada auf keine Spielchen ein

Von Wolfgang Brylla

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| Foto: Cor Vos

28.09.2014  |  (rsn) - Auf diesen Tag haben die polnischen Fans lange warten müssen. Vor 25 Jahren sicherte sich Joachim Halupczok im französischen Chambery das Regenbogentrikot des Amateur-Weltmeisters. Am Sonntag setzte sein Landsmann Michal Kwiatkowski einen drauf und wurde im spanischen Ponferrada Straßenweltmeister der Profis.

Der 24-Jährige attackierte auf der letzten Runde sieben Kilometer vor dem Ziel seine Konkurrenten, schloss zu einer kleinen Spitzengruppe auf, hängte diese im letzten Anstieg zum Mirador ab und erreichte das Ziel mit einer Sekunde Vorsprung auf die ersten Verfolger. Dem Australier Simon Gerrans und dem Spanier Alejandro Valverde blieben nur die Plätze zwei und drei, während Kwiatkowski sein Glück kaum fassen konnte.

„Auf der letzten Runde fühlte ich mich sensationell gut“, sagte der frisch gebackene Champion, der im Regen zum größten Erfolg seiner noch kurzen Karriere jagte. „In der Abfahrt nahm ich volles Risiko. Ich sah, dass einige Fahrer sich beäugten, Spielchen machte. Ich wollte mich in diesen Radsportpoker nicht verwickeln lassen und fuhr deshalb Vollgas“, so Kwiatkowski, der sich genau das U23-Straßenrennen angeschaut hatte, das ebenfalls im Regen ausgetragen worden war.

„Deshalb wusste ich auch, wie man sich verhalten muss und auf welche Rennszenarien man sich gefasst machen muss. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Meine Mannschaftskollegen waren heute Weltklasse. Ihnen verdanke ich diesen Erfolg“, lobte Kwiatkowski sein Team, das sich komplett für ihn aufgeopfert hatte und sich mit ihrem kapitän über das Regenbogentrikot freuen konnten.

Bis 1993 wurden bei den Rad-Weltmeisterschaften parallel zu den Profi-Wettkämpfen auch Wettbewerbe für die Amateurfahrer ausgetragen, die in der Regel aus den ehemaligen sozialistischen Ostblockstaaten stammten. Ein Jahr nach dem ersten großen Erfolg von Jan Ullrich in Oslo entschied sich der Radsportweltverband UCI, die beiden Lager zu vereinen beziehungsweise das Amatauerrennen abzuschaffen.

Seit diesem Zeitpunkt konnte kein polnischer Rennfahrer mehr sich die Goldmedaille in einem Straßenrennen holen. Nur ein Mal erklomm ein Pole das Siegertreppchen. In der Saison 2000 belegte Zbigniew Spruch in Plouay den zweiten Platz hinter Romans Vainsteins.

Der „Flowerman“, wie der neue Weltmeister auch genannt wird, zählte im 254,8 Kilometer langen Straßenrennen von Ponferrada zwar nicht zu den Top-Favoriten – eine Sensation ist sein Triumph allerdings nicht. Schon als Junior machte er auf sich aufmerksam. Kwiatkowski wurde Europameister auf der Straße und im Zeitfahren (2007 und 2008), im Kampf gegen die Uhr konnte er sich sogar über den Weltmeistertitel freuen (2008). Wie Patrick Lefevere, sein Teamchef bei Omega Pharma-Quick Step, es einmal sagte, gab es im Grunde nur zwei Fahrer aus den Jahrgängen 1989/90, denen man eine große Profikarriere prophezeite. Der eine hieß Peter Sagan, der andere war Kwiatkowski.

Nach der Zwischenstation bei der Jugendmannschaft der spanischen Equipe Caja Rural unterschrieb das „Blümchen“ Ende 2010 seinen ersten Profivertrag bei RadioShack. Nach nur einem Jahr verließ er allerdings das Team von Johan Bruyneel. Das Gerücht machte die Runde, dass die beiden sich nicht grün gewesen seien. Als der Belgier erfuhr, dass der junge, talentierte Pole mit Lefevere „flirtete“, strich er seinen Namen aus dem Aufgebot für die Polen-Rundfahrt.

In der OP-QS-Mannschaft blühte Kwiatkowski auf und konnte sich weiter in Ruhe entwickeln. Ohne größeren Druck und mit der Unterstützung seines Landsmanns und Freundes Michal Golas, der sich heute wieder in seinen Dienst stellte, bestritt er immer mehr Rennen und übernahm schon früh Verantwortung und sogar die Kapitänsbinde - im Alter von nur 22 bzw. 23 Jahren. In der Saison 2013 konnte er bei den Ardennen-Klassikern überzeugen, wurde überraschend Gesamtelfter bei der Frankreich-Rundfahrt, was ihm niemand zugetraut hätte.

In diesem Jahr wollte Kwiatkowski sein Ergebnis bei der Tour de France verbessern und in die Top Ten, aber nach der kräftezehrenden Frühjahrskampagne, war er dazu schlicht nicht in der Lage. Die Fernfahrt Tirreno-Adriatico beendete er auf dem vierten Platz, entschied die Algarve-Rundfahrt und das Eintagesrennen Strade Bianche für sich. Dazu kamen dritte Plätze bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und dem Flèche Wallonne.

Nach der enttäuschenden Tour schrieben Kritiker mit Blick auf die Straßen-WM in Ponferrada schon ab. Doch brachte sich Kwiatkowski in den letzten Wochen prächtig in Form. Den letzten Feinschliff holte er sich in Großbritannien, wo er bei der Tour de Britain einen Tagessieg davontrug und in der Gesamtwertung Zweiter wurde. Es war nur das Vorspiel zu seinem heutigen großartigen Auftritt in Spanien.

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